Samstag, 20. November 2010

Von Tieren, nigerianischem Essen und Yoruba sprechen

Bei uns zuhause ist das Essen nicht besonders abwechslungsreich. Es gibt abends immer entweder Reis, manchmal mit Bohnen, und dazu Stew, eine rote, scharfe Sosse mit Fleisch und/oder Fisch. Netterweise war in der Sosse anfangs mehr Tomatenmark, sodass es nicht zu scharf fuer mich war. Oder es gibt Amala, ein weicher Kloss aus Yammehl, auch mit Stew und dazu Okro, eine gruene Frucht, die zerkleinert und gekocht wird, sodass es eine schleimige Sosse wird. Das Ganze wird mit der Hand gegessen. Das mach ich sehr gern. Es gibt natuerlich auch verschiedene andere Gerichte, aber einiges mag mein Bruder nicht oder wir machen es einfach nur sehr selten. Leider gehoert dazu auch Plantain (Kochbanane), die gebraten oder gekocht superlecker schmeckt. Ich mag den Fisch hier wesentlich lieber als Fleisch, manchmal sinds nur ein bisschen viele Graeten. Dann macht sich meine Familie oft lustig, weil die doch so weich sind und man sie einfach mitessen kann. Obwohl ich sonst alles aufessen muss, darf ich immerhin Knochen und Graeten uebrig lassen. Das mit dem Aufessen ist manchmal echt schwierig, weil man eine Portion bekommt und die dann isst. D.h. ich muss vorher wissen, wie gross mein Hunger ist, weil alles, was im Topf ist, aufgeteilt und gegessen wird. Ich wuerde aber lieber 2-5 kleine Portionen essen.
Morgens ess ich meistens Obst oder Brot (sowas wie ungetoastetes Toast) mit Marmelade. Die selbstgemachte aus Deutschland hab ich leider schon aufgebraucht, aber in einem kleinen Supermarkt konnte ich neue kaufen. Am Samstag gibts vormittags Bohnen, sonntags Ei, Brot und Tee mit Milch und Honig!! Unter der Woche ess ich mittags normalerweise mit den Kindern, meist Reis oder Nudeln. In letzter Zeit gabs aber oefter mal nicht genug und ich will den Kindern ja nichts wegessen. Manchmal gabs auch einfach nur ein paar Kekse.
Essen ist fuer mich dort oft schrecklich. Manche koennen noch nicht richtig allein essen, sodass ihnen die Haelfte runterfaellt, sie dann eben vom dreckigen Boden weiteressen. Manche essen so langsam, dass die schnelleren ihnen das Essen vom Teller klauen und andere haben so grossen Hunger, dass sie alles, was den anderen noch am Finger, im Gesicht oder am T-shirt haengt, aufsammeln. Grosses Geschrei gibt es auch immer ums Wasser und ich glaube, dass sie haeufig nicht genug zu trinken bekommen. Oft fragen sie mich schon morgens, wenn ich komm, nach Wasser, aber es gibt dann erst 2-3 Stunden spaeter was. Letztens hat ein Junge sogar aus dem Eimer, der im Klo steht, Wasser getrunken, das eigentich dafuer da ist, den Kindern den Po zu waschen. Kinder gewaschen hab ich in den letzten 2 Wochen sehr oft, weil 10 Kinder jetzt lernen sollen aufs Klo zu gehen und das noch nicht so recht klappt.
In den letzten Wochen hatte ich neben der Anstrengung sehr viel Spass mit den Kindern. Mit vielen kann ich jetzt, wo ich sie besser kenn, auch besser umgehen. Aber es gibt leider auch einige, bei denen ich ratlos und ueberfordert bin. Die meisten Kinder singen sehr gern (die ersten Weihnachtslieder werden hier auch schon seit anfang November geuebt, aber fuer mich fuehlt es sich so an wie Strohsterne basteln im Sommer), Klatschspiele und Hoppe-hoppe-Reiter ist auch immer angesagt. Ich finds am lustigsten, wenn sie tanzen. Wenn dort Musik laeuft, dann solltet ihr mal diese 2-5 jaehrigen Kinder sehen! Die koennten genauso gut 16 sein. Letztens hatten sie dann noch alle Sonnenbrillen geschenkt bekommen - sooo cool. Inzwischen hab ich schon mehrere Geburtstage im Waisenhaus mitbekommen. Dann werden alle Kinder schoen angezogen, singen fuer das Kind oder manchmal kommen auch Leute von ausserhalb, die mit den Kindern ihren Geburtstag feiern wollen, “happy birthday” und essen ein kleines Stueck vom Kuchen. Die Kuchen sind meist ganz bunt und suess und sehen sehr kuenstlich aus.
Ich war auch schon auf dem 1. Geburtstag der Tochter einer Bekannten eingeladen. Die ca.20 Kinder wurden durch laute Ansagen ins Mikro zu verschiedenen Spielen animiert, die 50 Erwachsenen haben zugeschaut und sich unterhalten. Es gab was zu essen, Musik und es wurden ganz viele Bilder mit dem Geburtstagskind und -kuchen gemacht.
Weil ich schon ein bisschen an mangelndem Musik machen leide, find ichs sehr schoen, dass in der Methodistenkirche einmal im Monat am Sonntag Abend 2 Stunden lang Kirchenlieder gesungen werden. Die Lieder wurden mit Orgel und Chor begleitet. ein paar Chorstuecke mit einer Band. Meistens hab ich ein bisschen hinterher gesungen, weil nur der Text abgedruckt war, ich aber die Melodie nicht kannte (ausser bei “Lobe den Herren” auf englisch).
Vorletztes Wochenende sind 9 Freiwillige (wir sind jetzt 12 deutsche und 6 andere) mit einem vom ICYE (unsere Organisation) in seinen Heimatort gefahren, wo ein Festival war. Sein Papa hat uns alle ganz lieb beherbergt und extra den Fotographen bestellt. Am Samstag gab es einen Umzug mit maskierten Trommlern, singenden, tanzenden Kindern, Trompetern, vielen Leuten in traditioneller Kleidung und einigen seltsamen Gestalten. Als wir abends in einer Bar sassen, haben wir von einer von den Frauen, die mit einem Tablett voller verschieden grosser Kruege auf dem Kopf rumgelaufen sind, einen Krug leckeren Palmwein gekauf. Bevor wir am Sonntag wieder zurueck gefahren sind, habe wir einen Spaziergang durch den Urwald gemacht. Es war so schoen zwischen all dem Dreck und Laerm in Lagos mal wieder ganz viel Gruen und Stille um sich zu haben.
In meinem Alltag ist es eigentlich immer laut durch Verkehr, Generatoren, schreiende Leute, Tiere, ... und ich fuehl mich ziemlich dreckig. Es sind nicht nur die Kinder, die Rotze, Essensreste und ihre dreckigen kleinen Haende an mir abschmieren, sondern v. a. auch der ganze Schweiss, Staub und Sand. Daran, seinen Muell einfach dort hinzuwerfen, wo man gerade geht oder steht, hab ich mich noch nicht gewoehnt. Aber manchmal ist es dann echt schwierig, den Abfall loszuwerden, da ich bisher nur selten oeffentliche Muelleimer gesehen hab. Den Muell von uns zuhause bringen wir ab und zu abends oder frueh morgens in die Naehe von unserer Bushaltestelle, wo er dann von der Muellabfuhr abgeholt wird.
Tiere, die man mit Afrika verbindet, wie Elefanten und Affen hab ich noch nicht gesehen. Mir begegnen dagegen haeufig freilaufende, laut gackernde Huehner, Ziegen, bunte Echsen und besonders in unserer Gegend Widder. Die sind netterweise meist irgendwie festgebunden oder eingezaeunt und werden dann am Strassenrand geschlachtet und zerkleinert. Bei uns zuhause gibts dann noch Ameisen, die wirklich ueberall hinkommen, wo es was zu essen gibt, aber normalerweise sind sie hauptsaechlich in der Kueche. Zusaetzlich hatten wir in letzter Zeit noch Kakerlaken, die aber dank Insektenpulver nicht lang ueberlebt haben.
Meine Yorubakenntnisse verbessern sich leider so gut wie garnicht. Bisher kann ich immer noch nicht viel mehr als das, was wir schon ganz am Anfang gelernt haben wie “Guten Morgen”, “wie gehts” und “ich heisse Regina”. Es aergert mich ein bisschen, weil eigentlich alle Leute um mich sowohl auf der Arbeit als auch zuhause die meiste Zeit Yoruba reden und ich dann nur daneben sitz. Wenn sie pidgin english reden, ist das auch keine Hilfe, weil ich dann nur einzelne Worte versteh. Wenn die Frauen im Waisenhaus was miteinander besprechen, es mir aber nicht extra auf englisch sagen, weiss ich haeufig nicht, was los ist oder was die Kinder gerade machen sollen. Mein Englisch ist ausserdem nicht so besonders gut, sodass ich oft nachfragen muss und mich nicht richtig ausdruecken kann. Mein Gastbruder hat mich trotzdem gelobt, dass ich so gut erklaeren kann, als wir ein paarmal zusammen Aufgaben zu logischem Denken und in Mathe gemacht haben. Er hat naemlich bald irgendeine Pruefung auf der Arbeit und muss dafuer ueben.

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